Falsche Entscheidungen

 

 

 

Der australische, aber in den USA auftretende Comedian Jim Jefferies, der an sich eine eher bigotte Linie pflegt und respektlose bis politisch unkorrekte Witze macht, hat eine klar ablehnende Haltung in Bezug auf die amerikanischen Waffengesetze. Find‘ ich super, auch weil gerade seine Fans das wahrscheinlich zum großen Teil eher anders sehen.

 

So muss verantwortungsvolle Bühnenarbeit laufen. Nicht immer nur das erzählen, bei dem alle nicken.

 

 

 

Ich sage ja auch alle naselang, dass es falsch ist, Tiere zu töten, auch wenn ein Großteil unserer Gäste keine Vegetarier sind. Wenn ich irgendwann mal einen Einzigen überzeuge, reicht mir das, und wenn die Fleischesser sich trotzdem über meine Texte amüsieren können, umso besser.

 

 

 

Jim Jefferies sagt auch Sachen wie:

 

If you ever said this sentence: ‚I like Trump cause he is a straight talker‘, you are as dumb as shit.“

 


Ich will nicht wissen, wie viele seiner Zuschauer sich ertappt fühlen.

 

Wenn einer ein straight talker ist, ist das wohl Jim Jefferies.

 

Wie gesagt, er ist hart zu seinen Gästen und nimmt auch kein Blatt vor den Mund, was die heilige Kuh der Amerikaner, das „first amendment“ angeht, auch wenn ein Großteil seiner Gäste wahrscheinlich den Argumenten der Waffenlobby folgt und unzählige Waffen zu Hause hat.

 

Er sagt klar und deutlich, wie schwachsinnig sie sind. Die Argumente und die Waffen und auch manche seiner Gäste.

 

Applaudieren trotzdem alle. Das ist das gleiche Phänomen, wie dass man in Pinneberg den ganzen Abend Witze über Pinneberger machen kann und alle lachen und sagen: „Ja, genau – so sind die.“

 

 

 

Schaut euch den auf YouTube mal an, da gibt es unzählige Videos, der Mann ist wirklich gut. Jim Jefferies.

 

Bei einem dieser Videos stutzte ich. Eine Stelle war so viel tiefer, als ich vorher festgestellt hatte.

 

Ein bestimmter Punkt seiner Show über die Waffengesetze in den USA faszinierte mich besonders. Es geht um den Punkt, dass wenn Waffen verboten wären, nur noch die Kriminellen Waffen hätten und die braven Bürger denen dann schutzlos ausgeliefert wären. Ist ein beliebtes Argument, hört man auch hier in Deutschland ab und zu. Es klingt wie fast alle Argumente der Lobbys auf Anhieb irgendwie richtig, hat aber einen Haken. Ein Sturmgewehr kostet in den USA im Walmart 1.000 Dollar. Gebraucht gibt’s die natürlich noch viel billiger. In Australien kann man das gleiche Gewehr auch kaufen, auf dem Schwarzmarkt. Da kostet es 35.000 Dollar.

 

Wer nun aber 35.000 Dollar hat, ist ein wohlhabender, tüchtiger kleiner Schwabe. Der überfällt doch nicht ’ne Tankstelle oder ’nen Kiosk.

 

Bei Jim ist das der Punkt für Waffengesetze, für mich geht dieses Argument aber viel tiefer.

 

 

 

Die Waffenlobby sagt auch immer, Waffen töten nicht, Menschen töten. Noch so ein halbrichtiges Argument.
Wenn man das durchdenkt, zeigt es wunderbar den Fehler in der Denkweise. Das funktioniert nämlich nur unter den besten Voraussetzungen. Wären alle Bürger geistig gesund, im Leben gefestigt und nüchtern, wäre dieses Argument ein gutes.
Ist aber nicht so. Eine Gesellschaft muss sich nach den Langsamsten richten, weil sie halt dazugehören, wir können die AFD-Wähler auch nicht einfach nach Südtirol abschieben. Wir müssen die behalten und mit denen klarkommen, aber Waffen geben wäre dann doch etwas viel.
Daher braucht man Waffengesetze.

 

 

 

Wenn man das jetzt weiter fasst: Wer sind denn die Langsamsten in der Gesellschaft? Das sind die Armen, die Abgehängten, die ohne Perspektive, die Kleinkriminellen, die Kevins.

 

 

 

Kriminell sein ist keine Lebensentscheidung, die man trifft, weil man mit fünf nicht Lokomotivführer werden wollte, sondern Kleinkrimineller. Murat kommt doch nicht aus dem Lernentwicklungsgespräch und sagt, ach nö, Schreiner ist nix, ich überfall‘ lieber Supermärkte.

 

Kriminell werden Menschen, bis auf wenige Ausnahmen, weil sie keine andere Chance im Leben haben.

 

Schlechte Entscheidungen werden meistens getroffen, weil die Perspektiven nicht wirklich was Besseres hergeben.

 

Selbstverständlich werden auch genug solcher Entscheidungen aus anderen Gründen getroffen. Verbrechen werden aus Übermut begangen oder aus Langeweile. Und es gibt ja auch nicht nur kriminelle schlechte Entscheidungen. Sex ohne Kondom mit der eben kennengelernten heißen Schackeline aus Billstedt ist nicht kriminell, kann aber aus mehreren Gründen eine folgenreiche schlechte Entscheidung sein. Und auch die unzähligen Kevins, die jedes Jahr bei spektakulären Selfies zu Tode kommen, treffen diese fatale Entscheidung nicht aus Not. Da ist etwas ganz Anderes schief gelaufen in deren Leben. Wahrscheinlich schon bei den Eltern. Vielleicht ist er der Sohn von der eben erwähnten heißen Schackeline aus Billstedt, die viel zu früh ein Kind mit einem viel zu jungen Justin Jerome bekam. Wer weiß.

Aus jugendlichem Leichtsinn, Geltungsdrang oder vielleicht Eifersucht treffen die Menschen wohl auch in Zukunft noch schlechte Entscheidungen.
Auch in einer perfekten Welt gehen Menschen manchmal in die falsche Richtung.

 

Für‘s Leben gibt es noch kein Google Maps.

 

Aber: Die meisten fatalen Entscheidungen werden getroffen, weil sie – wie Tante Merkel sagen würde – „alternativlos“ erscheinen.

 

Es gibt einfach zu viele Menschen, die sich abgehängt fühlen. Zu viele haben keine 35.000 Euro. Sie haben nichts und es sieht auch nicht so aus, als würde sich das in ihrem Leben noch ändern.

 

Hauptschule abgebrochen, keine Ausbildung, Hartz 4. Wundert jetzt niemanden, dass man da auf dumme Gedanken kommt, oder?

 

Wir können ja mal eine Umfrage starten, wie viele Gefängnisinsassen diesen Weg gegangen wären, wenn sie 35.000 Euro auf der Bank gehabt hätten.

 

 

 

Ich werde jetzt nicht vorschlagen jedem Menschen 35.000 Euro in die Hand zu drücken, aber der Gedanke dahinter ist faszinierend.

 

Dazu vier Fragen:

 

Was wäre, wenn alle Menschen eine Perspektive hätten?
Was wäre, wenn man die Verzweiflung aus Geldnot, das Gefühl der Nutzlosigkeit und den daraus folgenden Trotz minimieren könnte?
Braucht man dazu 35.000 Euro oder geht das auch anders?

 

Und die vierte Frage ist:
Wie zum Teufel bin ich bloß von den amerikanischen Waffengesetzen auf das bedingungslose Grundeinkommen gekommen?

 

 

 

Ich schätze, es war es das Argument der Waffenlobby: Waffen töten nicht, Menschen töten.

 

Welche Menschen denn? Solche mit Problemen. Lasst uns die Anzahl von Menschen mit Problemen verringern.

 

 

 

Theoretisch könnten wir den Leuten dann auch wieder Waffen geben,

 

 

 

aber wozu?