Bist du Lisa?

 

Früher war ich mürrisch was Wacken anging. Wacken, da gehen doch alle hin, viel zu groß, voll mainstream. Aber ich habe gelernt.

 

Ich muss das Wacken Open Air nicht ablehnen, nur weil es das größte Metal Festival Deutschlands ist. Und groß ist es.

 

Rock am Ring war mal größer, hat aber stark abgebaut. Weltweit sind 75000 Leute eher lächerlich und selbst im deutschsprachigem Raum läuft Wacken sie bloß unter ferner liefen.
Die größten deutschen Festivals liegen in der Schweiz und in Österreich. Läuft wohl unter dem Motto, sie haben ja sonst nix, da kommen dann auch mal 250 000 auf einer Alm zusammen oder so. Und es gibt in Würzburg ein Weltmusik Afrika Festival mit 120000 bunten wehenden Gewändern.

 

Aber Wacken ist das geilste. Ist wirklich so.

 

Es ist groß, aber du kannst überall Pause machen und bekommst ein Bier, hab ich bei jedem Rückweg zum camp ausprobiert. Gut, weil ich mich bei jedem Rückweg verlaufen habe und drei Stunden gebraucht und nicht aus Spaß, aber das Ergebnis bleibt gleich.
Wacken kam mir sehr viel kleiner vor, als unser 17 000 er Stammfestival With Full Force.
Das Bier dort scheint auch nicht so schlimm zu sein wie Astra, ich konnte mich noch an einige Stops erinnern, wenn auch nicht wiederfinden. Am zweiten Tag hab ich das versucht,um meinen neuen Freunden nochmal hallo zu sagen, aber keine Chance. Auf der Suche habe ich dann aber wieder genau so viel neue Freunde kennengelernt. Ist genau das Richtige für einen mit der Aufmerksamkeitsspanne einer Fliege.
Manchmal war ich so schlau und habe mir was aufgeschrieben. So auf Papier, weil- handyempfang habe ich nicht mehr auf Festivals seit ich von dem schweineteuren Telekom vertrag auf winsim umgestiegen bin. Funktioniert aber normalerweise, auch auf dem Land, aber bei Festivals wünsche ich mir die telekom zurück. Hanna sitzt immer da und schaut dekadent Filme, während ich aufs Auto klettern muss und mich sehr doll strecken, damit ich wenigstens eine sms empfangen kann. Das gute aber: ich als handysüchtiger ließ das Telefon im Auto und streunte frei und unbekümmert durchs Gelände.
Gut, ich ging deshalb auch ständig verloren. Diesmal war ich tatsächlich der Udo des Festivals. Udo ist der Schnacker vor dem Herrn, um diesen antiquierten Ausdruck endlich mal zu verwenden, er kann sich mit jedem unterhalten und kommt mit jedem klar. Auf einer Party war er mal dr. Love und beförderte Menschen, die sich vorher nicht kannten zu Paaren. Und es hat funktioniert. Eins davon hat letztes Jahr geheiratet. Aber der Punkt ist, Udo ist immer plötzlich verschwunden. Er geht Bier holen und weg, geht pinkeln, weg, man dreht sich um, weg, man unterhält sich, mitten im Wort, weg. Keine Ahnung wie er das macht.
Bis auf den letzten Fall, fällt einem das erst später auf, deshalb ist unser geflügeltes Wort:

 

Wo ist eigentlich Udo?
Man hat sich dran gewöhnt, der kommt schon klar.
Bei mir ist das anders. Ich bekomme ja schon Streit, wenn einer falsch nach dem Weg fragt und deshalb machten sich alle ein bisschen Sorgen, als ich das erste mal verschwunden war und suchten mich. Erfolglos. Das wäre dann wohl der Nachteil von 240 Hektar Campingplatz.
Es ging soweit, dass Chiko am Weg stand, der an unserem camp vorbeiging und hübsche Frauen ansprach mit den Worten:
hey, hast du Thomas gesehen? Du wärst seine Zielgruppe und wenn du ihn getroffen hättest, hätte er dich bestimmt angebaggert. Er hat einen roten Zipfelhut auf.
Hielt er in dem Moment wohl für eine vielversprechende Methode.
Ich hatte mich längerfristig verlaufen und viele Freunde gefunden. Am nächsten Tag fand ich drei Zettel in der Tasche.

 

Malte – Helbing trinken 01751835421, der zweite Zettel:
„der Hut ist von Ulrike“
und „3. links 2. wohnwagen, gutes Bier“.

 

Konnte ich natürlich nicht viel mit anfangen, da die Ortsbeschreibung und der Hutzettel wohl nicht zusammengehörten, außer mit Maltes Zettel, da war ja ne Nummer drauf. Konnte sie aber nicht anrufen, kein Empfang.
Ich danke Ulrike aber hiermit für den Hut, weil ich den roten Zipfelhut, den hanna und Chiko mir geschenkt hatten gegen einen Chinahut getauscht hatte in der Absicht weiterzutauschen und bei jedem Tausch ein upgrade zu machen, bis ich ein Haus mit Swimming Pool ertauscht hatte.

 

Leider habe ich den Chinahut schon in der ersten Nacht wieder verloren, aber dann anscheinend Ulrike getroffen, die mir den gleichen roten Zipfelhut schenkte, den ich ein paar Stunden vorher eingetauscht hatte.
Oder ich habe mir das mit dem Chinahut nur eingebildet, nur wer ist dann Ulrike? Egal,
der Zipfelhut stand mir irgendwie und brachte mir den weltbesten Spruch ein. Danach hätte ich eigentlich auch nach hause fahren können, besser konnte es nicht mehr werden. Ich hatte ihn nämlich nass gemacht, wie ihr euch vorstellen könnt, war das Festival sehr heiß und ich hatte keinen Fächer zur hand. Also machte ich den kompletten Hut nass, worauf eine ganz bezaubernde securityfrau mich musterte und meinte, du tropfst aus deinem Zipfel.

 

War ich natürlich schockverliebt, verlor sie aber kurz darauf aus den Augen.
Denn dann traf ich Lisa. Nein, so war das nicht. Andersrum, ich musste los, weil ich die fixe idee hatte jeden mit einem Iron Maiden shirt die hand zu schütteln. Das sind ca 45 % der Leute auf dem wacken Open air. Oder 35, egal, es sind viele. Aber Iron Maiden ist auch eine Legende, die Legende eigentlich. Beste metal band ever. Da kann man auch mal 200 Leuten die Hand schütteln für, auch wenn ich mir im Nachhinein Gedanken darüber machte, dass es auf Dixies keine Möglichkeit zum Händewaschen gibt.

 

Ich also los. Nach sehr vielen Händen, kam eine kurze Phase in der ich keinen mit Iron maiden shirt fand, was mich so verwirrte, dass ich es einem kleinen Typen erzählte, der immerhin ne Metalkutte anhatte und der, der stand neben Lisa, seiner besten Freundin. Ich konzentrierte mich alsbald auf sie und nach 10 Minuten stand fest, wir heiraten. Ich schleppte sie dann mit zu meinen Freunden, die mich schon wieder vermisst hatten und stellte ihnen meine Zukünftige vor. Im Tross, der Kleine, der mit der zeit nervig wurde, weil er Chiko, der einen roten Bart hat aber sonst nicht wie ein kleiner hässlicher Liedermacher aussieht immer Ed Sheeren nannte, der Mutter von Lisa und ihrer besten Freundin, die ich dann versuchte mit dem kleinen nervigen zu verkuppeln, hauptsächlich um ihn abzulenken, weil ich Angst hatte, dass Chiko die Geduld verlieren könnte. Aber ich bin wohl kein Dr. Love.
Trotzdem war soweit alles super. Dann verschwand ich wieder. Wie genau weiß eigentlich keiner und Chiko und Hanna verloren dann wohl Lisa, wohl aus mangelndem Interesse aus den Augen oder weil der Kleine nicht getötet werden sollte. Niemand wusste mehr so genau wie Lisa ausgesehen hatte. Das hatte zur Folge, dass ich am nächsten Tag über das Festival lief und viele Frauen fragte: Bist du Lisa?
Leider ohne Erfolg und das macht mich immer noch etwas traurig.
Aber ich habe ja im nächsten Jahr eine neue Chance. Lisa kommt bestimmt wieder. Genau wie ich. Ganz sicher, ich glaube nämlich Wacken macht mich weniger mürrisch. Ich mag es da einfach.